bemerkenswerter Redebeitrag von Pfarrer Christoph Dielmann

Mein Name ist Christoph Dielmann
und ich bedanke mich bei den Organisatoren
dieser Demonstration für die Gelegenheit
ein paar Worte zu sagen.

Evangelischer Gemeindepfarrer
bin ich für Neufahrland, Fahrland,
Satzkorn, Kartzow, Paaren, Falkenrehde.
Ich bin hier, weil ich nicht möchte, dass die AfD
in unseren Dörfern ihre Erfolge feiert.

Und ich meine damit etwas anderes
als das, was heute hier in Marquardt stattfindet.
Wenn wir uns heute aufregen,
daß die AfD hier feiert,
dann sollten wir uns ehrlicherweise eingestehen,
daß die AfD ja schon Erfolge feiert, in unseren Dörfern.
In manchen unserer Dörfer hat diese Partei
bei der Kommunalwahl über 30 % bekommen.
Und sie wird auch heute mehr Prozent einfahren
als uns lieb sein kann,
da, wo wir alle wohnen, alle zusammen,
die Kinder gemeinsam vom Hort abholen,
das Erntedankfest miteinander feiern,
die Verstorbenen zusammen betrauern.
[…]
Ich denke das Rumgeschimpfe hier
das verträgt sich ganz gut
mit alt-preußischem Kasernenton einerseits
und Untertanenfrust über Gängelei
und Arroganz der Macht andererseits.
Und es gibt ein, zwei Parteien im politischen Spektrum,
die davon profitieren und die auch gerne mehr
schlechte Laune produzieren,
mehr Zorn, mehr Angst und auch mehr Haß.
Aber bei allem Frust
über die Arroganz der Macht, der rausmuss,
bei allen Ängsten, die im Leben nach einer Seele greifen können:

Es ist falsch, den Verstand abzuschalten,
und einfache Lösungen für komplexe Probleme abzukaufen.
Es ist zu einfach die Demokratie zu diffamieren,
ohne wirklich ins Gespräch zu gehen.
Und es ist traurig, Menschen
aufgrund von Hautfarbe, Religion oder Herkunft
über einen Kamm zu scheren.
Jeder weiß das.
[…]

[…]
Besinnung brauchen wir, über das,
was uns im Dorf zusammenhält,
den Frieden den wir suchen
und vor dem wir nur zu oft versagen,
auch durch unser Schweigen,
unser Wegducken und Oberflächlichkeit.
Argumente brauchen wir
und gelingendes Miteinander.
[…]
Die Gedanken sind frei, wer kann sie erraten, sie fliehen vorbei,
wie nächtliche Schatten. Kein Mensch kann sie wissen,
kein Jäger erschießen. Es bleibet dabei: Die Gedanken sind frei.

bearbeitet von Jörg Walter; BI-Fahrland

Die vollständige Rede ist hier zu finden:

Mein Name ist Christoph Dielmann
und ich bedanke mich bei den Organisatoren
dieser Demonstration für die Gelegenheit
ein paar Worte zu sagen.

Evangelischer Gemeindepfarrer
bin ich für Neufahrland, Fahrland,
Satzkorn, Kartzow, Paaren, Falkenrehde.
Ich bin hier, weil ich nicht möchte, dass die AfD
in unseren Dörfern ihre Erfolge feiert.
Und ich meine damit etwas anderes
als das, was heute hier in Marquardt stattfindet.
Wenn wir uns heute aufregen,
daß die AfD hier feiert,
dann sollten wir uns ehrlicherweise eingestehen,
daß die AfD ja schon Erfolge feiert, in unseren Dörfern.
In manchen unserer Dörfer hat diese Partei
bei der Kommunalwahl über 30 % bekommen.
Und sie wird auch heute mehr Prozent einfahren
als uns lieb sein kann,
da, wo wir alle wohnen, alle zusammen,
die Kinder gemeinsam vom Hort abholen,
das Erntedankfest miteinander feiern,
die Verstorbenen zusammen betrauern.

Das ist das eigentliche Problem,
der eigentliche Aufreger,
für mich viel provozierender
als die Wahlparty dieser Grusel-Clowns.
Dass so viele Menschen, die wir persönlich schätzen,
die Partei der Menschenverachtung wählen.
Das ist verwirrend.
Dass kleine Leute eine Partei wählen,
die programmatisch kleine Leute benachteiligt
und gegeneinander ausspielt.
Das kann einen verrückt machen.
Und dass wir keine Argumente dagegen,
keine Überzeugung, kein Miteinander finden.
Das betrauere ich.
Das ist das Problem,
und was mich dabei als Gemeindepfarrer
dienstlich und persönlich herausfordert
möchte ich Euch erzählen.
Seit zwei Jahren lebe ich in Brandenburg.
Und ich bin gern hier.
Ich mag die Landschaft.
Ich finde den Charme der Leute rauh,
aber immer noch charmant.
Preußische Sparsamkeit fürchte ich,
preußische Disziplin bewundere ich,
vor allem bei den Handwerkern.
“Geht nicht, gibts nicht”, sagen die,
und packen an, was für mich unmöglich ist.
Berliner Schnauze finde ich lustig,
meistens jedenfalls.
Mir tut die Frau in der Poststelle leid,
die immer das Geschimpfe der Leute abbekommt,
wenn ihr Paket einen Tag zu spät kommt.
Du liebe Zeit!

Ich denke das Rumgeschimpfe hier
das verträgt sich ganz gut
mit alt-preußischem Kasernenton einerseits
und Untertanenfrust über Gängelei
und Arroganz der Macht andererseits.
Und es gibt ein, zwei Parteien im politischen Spektrum,
die davon profitieren und die auch gerne mehr
schlechte Laune produzieren,
mehr Zorn, mehr Angst und auch mehr Haß.

Aber bei allem Frust
über die Arroganz der Macht, der rausmuss,
bei allen Ängsten, die im Leben nach einer Seele greifen können:

Es ist falsch, den Verstand abzuschalten,
und einfache Lösungen für komplexe Probleme abzukaufen.
Es ist zu einfach die Demokratie zu diffamieren,
ohne wirklich ins Gespräch zu gehen.
Und es ist traurig, Menschen
aufgrund von Hautfarbe, Religion oder Herkunft
über einen Kamm zu scheren.
Jeder weiß das.

Niemand möchte das für sich oder seine Kinder.
Sieben Jahre habe ich mit der Familie
im englischsprachigen Ausland gelebt.
Ich habe die fremde Sprache dauernd gesprochen,
mit der täglichen Sorge, ob ich sie richtig spreche.
Ich habe die Bräuche der Einheimischen,
ihre Witze und Erwartungen
aufgenommen und versucht
mich entsprechend
zu verhalten.
Ich wollte dazugehören
und sie haben mir das Gefühl gegeben,
dazuzugehören, fast immer:
obwohl sie meinen starken deutschen Akzent hörten
und sie nicht nur freundliche Gedanken
über mein Heimatland Deutschland hatten.
Ich verstehe das, wenn Inländer reserviert
und vorsichtig gegen Ausländer sind.
Ich war ein Ausländer da.
Und in zwei Weltkriegen
waren mein Land und ihr Land
Kriegsgegner gewesen,
mit Opfern fast in jeder Familie.
Dann wurde mein damals 12-13-jähriger Junge
auf dem Schulhof von anderen Kindern
als Nazi beschimpft und verhauen,
obwohl der damals kaum wußte,
was Nazis sind, 70-80 Jahre danach.
Getroffen hat es uns schon,
und ungerecht fanden wir es.
Das Kind konnte schon mal gar nichts dafür.
Aber so kann es Dir gehen, wenn Du Ausländer bist.
Darum habe ich eine innerliche Sperre dagegen,
jemanden als Nazi abzustempeln.
Gerade jetzt, wenn Menschen AfD wählen,
die mir in zwei Jahren hier ans Herz gewachsen sind
auch mit ihrem Geschimpfe und ihrem Frust.
Aber ich bin auch sehr sensibel
bei Feindschaft gegen Ausländer.
Mißtrauen, dumme Witze, Vorverurteilungen
sind unnötig, sind böse, braucht kein Mensch.
Keiner braucht es, sich mit einer Nation, einer Hautfarbe,
einer Religion oder sonstwas über den anderen zu stellen.
Das ist der Hochmut, der vor dem Fall kommt!
Jede und jeder Mensch hat seine Würde,
seine Schönheit, sein Recht.
Jede Nation hat ihre Größe,
jede Religion ihr Geheimnis,
und jedes Volk hat seine Geschichte.
Alle sind Menschen.
Jede und jeder braucht mal Hilfe
im Laufe seiner persönlichen Geschichte,
die ihn auch mal dahin führen kann,
wohin er oder sie es vielleicht gar nicht gedacht hat.
Gilt auch für mich.
Ich bin aus dem Westen,
ein Rheinländer in Brandenburg.
Meine Frau war vor 25 Jahren
zu mir in den Westen gekommen
und nach dem Auslandsaufenthalt
war es gerecht und fair,
in ihre Heimat, in den Osten zu kommen.

Ob im Ausland, in Düsseldorf oder hier,
immer hat mich das Thema Migration beschäftigt.
In bald 30 Jahren Dienst in der Kirche
habe ich etwa 2000 Beerdigungen gehalten.
Die meisten Menschen, die ich beerdigen musste,
haben eine Fluchtgeschichte durchgemacht,
ihre Heimat durch den von Deutschland
entfesselten Krieg verloren,
sie sind in den Westen gekommen,
wurden hier und dort einquartiert
und sie waren nicht willkommen.
Sie haben sich durchgebissen und sich festgesetzt,
da, wo niemand sie haben wollte
– auch hier, in unseren Dörfern
waren sie “die da” und nicht “wir hier”.
Hört auf ihre Geschichten!
Das sind die Großeltern und Urgroßeltern
auch von denen, die heute hart über einen Kamm
über alle Flüchtlinge urteilen: Flüchtlinge.
Und wer ein wenig Mitleid mit denen fühlt,
die mal erfahren haben, dass sie “die da” sind,
mit denen “wir hier” nichts zu tun haben wollen,
der wird auch verstehen,
daß uns mehr Spaltung, mehr Geschrei,
mehr “wir hier” und “die da”
nicht wirklich weiterhilft.

Denn das wollen die Parteibonzen ja:
Spaltung und Geschrei und Haß.
Laßt uns auch nicht mitmachen.
Zumindest hier, auf dem Dorf
können wir das nicht gebrauchen,
mehr Spaltung, mehr Haß
auch mit denen, die diese Partei wählen.

Besinnung brauchen wir, über das,
was uns im Dorf zusammenhält,
den Frieden den wir suchen
und vor dem wir nur zu oft versagen,
auch durch unser Schweigen,
unser Wegducken und Oberflächlichkeit.
Argumente brauchen wir
und gelingendes Miteinander.

Darum möchte ich heute
auch nicht das Ärzte Lied vom Schrei nach Liebe singen,
zumal keiner meiner Nachbarn Springerstiefel trägt.
Bitte um Verständnis:
Ich möchte niemandem, den ich täglich sehe,
das “Arschloch” entgegen brüllen,
so sehr diese Partei-Chargen
das verdient haben, so genannt zu werden.
Weil das so ist, möchte ich auch nicht,
daß sie brandenburgische Heimat und deutsche Kultur kapern
und für ihre Zwecke ausnutzen und damit beschmutzen.
Deswegen lade ich Euch ein,
mit uns ein, zwei Volkslieder zu singen.
Gerade am Wahltag kann man gut
Heimat, Kultur und Freiheit feiern.
Und wer gerade keine Lust hat,
gerade deutsche Heimat und Kultur zu feiern,
dem rufe ich zu: Gerne, mein Freund:

Die Gedanken sind frei.
Das kannst Du auch so mitsingen.

Die Gedanken sind frei, wer kann sie erraten, sie fliehen vorbei,
wie nächtliche Schatten. Kein Mensch kann sie wissen,
kein Jäger erschießen. Es bleibet dabei: Die Gedanken sind frei.
Ich denke, was ich will, und was mich beglücket,
doch alles in der Still, und wie es sich schicket.
Mein Wunsch und Begehren
kann niemand verwehren, es bleibet dabei:
die Gedanken sind frei.
Und sperrt man mich ein in finstere Kerker, das alles sind rein
vergebliche Werke; denn meine Gedanken
zerreißen die Schranken
und Mauern entzwei: die Gedanken sind frei.