Eine bemerkenswerte Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung Bauen und Verkehr   am 22. Januar 2019

Bebauungsplan Nr. 162 „Wohnanlage Ketziner Str. 22“: Investor Semmelhaack plant NEU

Nach einer Auftakt-Demo vor der Tür zur endgültigen Absage an das Verkehrsprojekt Havel-Spange, dritte Havel-Querung in Potsdam, und nach  einer diffusen Diskussion zum Thema Aufstellungsbeschluss für einen sehr exponierten Neubau am östlichen RAW-Gelände, hat sich dann auch für unser Fahrländer Bauprojekt Nr. 161 eine sehr überraschende Wendung der bisherigen Planungsansätze ergeben.
Nach einer mehr als 2-1/2-stündigen Debatte zu den erstgenannten Themen konnte endlich David Weidling von der Fahrländer Anwohnerinitiative (AI Fahrland) in seinem Redebeitrag als betroffener Anwohner nochmals eindringlich und sachlich fundiert darlegen, dass der Ausschuss von einer Zustimmung zum vorliegenden Aufstellungsbeschluss Abstand nehmen möge. Ein Änderungs-Vorschlag der Fraktion die aNDERE, die einen 12m breiten Abstand zwischen den Bestandsgrundstücken und der geplanten Neubebauung, einschließlich der Neuanpflanzung einer Streuobstwiese vorsah, könnte dabei als ein maximal möglicher Kompromiss in Betracht gezogen werden.

Kurz vor der endgültigen Abstimmung brachte Stadtplanungschef Goetzmann, vollkommen überraschend für alle Beteiligten einen neuen Vorschlag für die weitere Bebauung ein: Auf die Planung einer Wohnbebauung mit 34 Einfamilienhäusern wird verzichtet. Stattdessen sollen die Planungen für ein Pflegeheim mit 80 Plätzen vorangebracht werden. Erste Planungsskizzen konnte er bereits vorlegen.
Demnach soll es einen 12m breiten Abstand zur Bestandbebauung geben, der begrünt werden soll. Daran schließt sich ein sehr komplexer und massiver Baukörper für ein Alters-Pflegeheim an, der von 5 Bungalows mit 18 Senioren-Wohnungen begrenzt werden soll. Man geht hier zunächst von einer zweigeschossigen Bebauung aus, bei der das Dachgeschoss aber als Vollgeschoss ausgebildet sein soll. Durch diese neue Situation musste der Tagesordnungspunkt erneut vertagt werden.

Als nächster Schritt wird der Ortsbeirat in Fahrland vermutlich auf seiner kommenden Sitzung am 20. Februar mit weiteren Informationen um seine Stellungnahme gebeten.
Wir, die AnwohnerInitiative, werten dieses Einlenken des Investors Semmelhaack als großen Erfolg und sind gespannt auf die weitere Entwicklung in diesem sensiblen Bereich, die wir auch weiterhin kritisch und konstruktiv begleiten werden.

Jörg Walter, AI Fahrland und BI Fahrland, 25.Januar 2019

 

Hier gibt es auch noch die gute Rede vom Anwohner David Weidling zum Nachlesen:

Vielen Dank für das eingeräumte Rederecht.
Um ein „langwieriges B-Planverfahren“ zu vermeiden, sollte der Ortsbeirat Fahrland 2016 der Bebauung mittels eines städtebaulichen Vertrages zustimmen. Er stellte ökologische Anforderungen, wurde aber übergangen. Der damalige Oberbürgermeister strich diesen Passus – wegen angeblicher Benachteiligung des Investors – und unterschrieb den Vertrag. Der Ortsbeirat lässt diese Vorgehensweise seit Mai 2018 durch eine Organklage rechtlich prüfen. Dass der Vertrag und die daraufhin erteilte Baugenehmigung unrecht war, mussten die Anwohner auf eigene Kosten durch die Kommunalaufsicht richtig stellen lassen.
Obwohl der Ortsbeirat übergangen wurde, behauptete Frau Holtkamp noch am 13.11.2018 im KOUL-Ausschuss, dass sich dieses B-Planverfahren auf ein vom Ortsbeirat unterstütztes Bebauungskonzept stütze. Die Stadtverwaltung setzt ohne Legitimation seit 2016 intensiv Ressourcen für einen Investor ein. Scheinbar sollte dieses Bauvorhaben um jeden Preis und an den Stadtverordneten vorbei durchgesetzt werden.

Der inzwischen rechtswidrige, aber weiterhin gültige Bauvorbescheid erlaubte dem Investor mit den Bauvorbereitungen zu beginnen. Inzwischen wurden 21 nach Baumschutzverordnung geschützte Bäume gefällt. Die Verordnung regelt eindeutig, dass auch zu prüfen ist, ob Bäume erhalten werden können. Die Fällgenehmigung wurde ohne diese Prüfung erteilt. Vielleicht, weil sonst ein B-Planverfahren hätte eingeleitet werden müssen. Es sind Gebäude abgerissen worden, obwohl sich dort nachweislich die Winterquartiere von geschützten Fledermäusen und Nistplätze von zwei geschützten Vogelarten befanden. Es gibt gesetzliche Vorschriften die hierbei einzuhalten sind und durch die Naturschutzbehörde unzureichend durchgesetzt wurden. Eine Begehung vor dem Abriss reicht nicht aus. Wie sollen diese Tiere ihre Ausgleichquartiere finden?
Das ebenfalls unter Naturschutz stehende Maulwurfvorkommen wurde brachial, unter Zuhilfenahme einer Rüttelplatte, innerhalb seiner Paarungszeit vertrieben. Um sicherzustellen, dass auch wirklich kein Maulwurf mehr vorhanden ist, wurde die Wiese noch zwei Mal intensiv umgepflügt, obwohl die Tiere in dieser Zeit jungen. Das alles als
Vorgabe der Naturschutzbehörde (Vergrämungskonzept). Auf Bodenbrüter und weitere geschützte Tiere inklusive Insekten wurde ebenfalls keine Rücksicht genommen. Das Vorkommen beobachtbarer geschützter Arten wurde im Gutachten einfach negiert (z.B. Storch). Die klimatische Ausgleichsfunktion der Wiese wurde heruntergespielt. Als Ausgleich für den Ortsteil werden Maßnahmen weit außerhalb von Fahrland eingebracht. Das wirkt auf uns äußerst absurd. Der 1. Aktionsplan zum Masterplan Klimaschutz wird hier völlig ignoriert. Es erscheint uns sehr mangelhaft, wie der Umwelt- und Naturschutz bei diesem Bauvorhaben berücksichtigt wurde.
Die Planung widerspricht außerdem dem aktuellen Landschaftsplan. Dieser definiert u.a. das Ziel: keine weitere Außenentwicklung. Für das sich aktuell im Außenbereich befindliche Flurstück 92 ist folgendes festgehalten: Erhaltung/ Entwicklung extensiv genutzter Grünlandflächen, Gras und Staudenflur. Beides wird im nun vorgelegten Entwurf ignoriert. Diese Eintragungen zielen aber auf den Schutz der vorhandenen Strukturen ab. Der Flächennutzungsplan ist hierfür viel zu grob angelegt.
Das historische Fahrland ist durch eine straßenbegleitende Bebauung mit Hinterland gekennzeichnet. Ein Baugebiet in einem historischen Dorfkern sollte Rücksicht auf die vorhandene Bebauung nehmen. Das erfolgt hier allerdings nicht. Das geplante Baugebiet zeichnet sich durch eine exzessive Bebauung der zur Verfügung stehenden Fläche aus. Das zu bebauende Grundstück hat eine ökologisch und kulturell sehr bedeutsame direkte räumliche Verbindung zu anderen Schutzgebieten. Es ist nicht rundum bebaut. Diese Verbindung ginge dem Dorfkern verloren und Fahrland würde nur noch mehr als reine Neubausiedlung wahrgenommen werden. Der Bauträger soll ausdrücklich nicht – und abermals wegen angeblicher wirtschaftlicher Benachteiligung – nach dem Potsdamer Baulandmodell beteiligt werden. Diese Benachteiligung zweifeln wir bei den aktuellen Verkaufspreisen und den vielen eingeräumten Vorzügen sehr an. Das ein B-Planverfahren Geld kostet, kann hier nicht vorgebracht werden, sondern das ist üblich. Beim Kauf eines Grünlandes im Außenbereich muss ein Investor damit rechnen.

Im KOUL-Ausschuss vom 13.11.2018 stellten Herr Rubelt und Frau Holtkampt neuerlich dar, dass ökologische Vereinbarungen in einem städtebaulichen Vertrag unzulässig seien. Der Investor möchte einen Außenbereich baulich entwickeln. Die Stadt hat hier jedesRecht diese Entwicklung zu regulieren. Die Anforderungen an den Klimaschutz im Fahrländer Stadtteil Krampnitz untermauern das. Der städtebauliche Vertrag zum Bebauungsplan Nr. 132 „Am Friedhof“ zeigt außerdem, dass es zumutbar ist, trotz umfangreicher ökologischer Anforderungen und langer Bearbeitungszeit, den Bauträger nach dem Potsdamer Baulandmodell zu beteiligen. Warum bevorteilt die Verwaltung diesen Investor und warum stellt sie Gleichbehandlungen mit Anderen als Benachteiligung dar?
Der vorgelegte Bebauungsplan ist aufgrund seiner mangelhaften Ausarbeitung nicht nur von uns abzulehnen. Scheinbar wurde von der Stadtverwaltung nur versucht die vorangegangenen Fehlerentscheidungen zu legitimieren.
Den Ergänzungsantrag (18/SVV/0760) von „die andere“ befürworten und unterstützen wir jedoch ausdrücklich. Dieser konstruktive Kompromiss mildert oder beseitigt die eben aufgezeigten Unzulänglichkeiten und dem Investor kann so zeitnah ermöglicht werden zu bauen.

Nehmen Sie uns bitte als Anwohner wahr und ernst. Es würde von Weitblick und Größe zeugen:
– wenn nicht nur die Interessen eines Bauinvestors Beachtung finden, – wenn Sie die Umsetzung des „Masterplan Klimaschutz“ nicht schon jetzt durch Sondergenehmigungen gefährden und
– wenn Sie sich nicht von der Stadtverwaltung vorführen lassen, dadurch dass diese Ihre Beschlüsse durch eigenmächtige städtebauliche Verträge und übereilte sowie halbherzige B-Planverfahren ad absurdum führt.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.