GASTBEITRAG der Anwohnerinitiative Ketziner Str. (Rede im OBR)

Hier ein Gastbeitrag zum aktuellen Informationsstand der geplanten Bebauung an der Ketziner Str. (ehemals Ketziner 22). Es handelt sich hier um betroffene Anwohnende und diesen Beitrag im Rahmen des Rederechts im Ortsbeirat kundgetan haben.

Hier der Beitrag:

„Sehr geehrte Ortsbeiratsmitglieder                                                  Fahrland, 18.August 2021

Vielen Dank für das eingeräumte Rederecht…

Heike Jezewski ist in Fahrland aufgewachsen und hat seither mit der Pflege in Potsdams Norden zu tun. Sie ist Geschäftsführerin des ambulanten Pflegedienstes Backschies, welcher sich vor 30 Jahren direkt im Ortsteil Fahrland gegründet hat. Die Namensgeberin, nämlich die Mutter von Frau Jezewski, war bis zur Gründung des Pflegedienstes als Gemeindeschwester in Fahrland tätig. Das Tätigkeitsfeld war weit über den Norden Potsdams ausgedehnt. Die Vergrößerung des Pflegedienstes machte eine Bürosuche nach größeren Räumen nötig, der Pflegedienst zog zunächst nach Neu Fahrland und dann jenseits der Friedensbrücke. Heute ist das Tätigkeitsfeld ausschließlich im Norden von Potsdam. Seit dem Jahr 2004 ist der Pflegedienst Träger einer Betreuten Wohnanlage in Groß Glienicke mit max. 40 Plätzen.

Unstrittig ist, dass Menschen heute deutlich älter als früher werden, damit erhöht sich unweigerlich auch die Zahl von pflegebedürftigen Bürgern. Dies stellt nicht nur die Pflege vor eine große Aufgabe, sondern auch die Politik. Inzwischen haben auch Investoren erkannt, dass mit Pflege Geld verdient werden kann.

Mit der „Kleinen Anfrage“ – „Stand der Bedarfsplanung für Pflegeangebote in Fahrland“ wurde versucht, einen Sachstandsbericht zur Situation zu schaffen. In der Beantwortung der Anfrage wird darauf hingewiesen, dass es im gesamten Sozialraum I keine vollstationäre Pflegeeinrichtung gibt. Ein stationäres Pflegeheim in Fahrland, welches der Investor schon gebaut haben könnte, lässt weiter auf sich warten.

Weiter wird ausgeführt, dass eine singuläre Betrachtung von Ortsteilen nicht sinnvoll ist und Pflegeleistungen nicht zwingend im selben Ort zu verorten sind. Daher wird in dieser Betrachtung der Sozialraum I-III in den Fokus genommen. Mögliche Unterstützung im Alter bis hin zur Pflege ist sehr individuell.

Nicht zu wenige Einrichtungen sind das Problem bei der Pflege, sondern die fehlenden Mitarbeiter:innen. Pflegedienste können dadurch nicht mehr wie früher, entsprechend den Bedarfen wachsen. Die drei Pflegedienste des Nordens haben in den letzten Jahren deutlich an Mitarbeitern verloren. (Pflegedienst Backschies von 68 Mitarbeitern auf 43) Durch diese Tatsache muss Pflege oft abgelehnt werden.

Für welche ortsansässigen älteren Bürger ist diese geplante Einrichtung überhaupt interessant? Nach den vorgelegten Plänen des Investors soll in Fahrlands zentraler Lage ein überwältigender Bau der Pflege mit eher städtischem Charakter entstehen! Hier sollen Apartments gebaut werden – also Wohnungen – seniorengerecht – mit dem Angebot von Serviceleistungen. Vorstellbar, wie das Leben in einem Hotel. Wenn pflegerische Tätigkeiten notwendig werden, können sie ergänzt werden durch die Leistungen eines ambulanten Pflegedienstes.

Einziehen können hier vorausschauende, rüstige Fahrländer:innen, die mit zusätzlichen Annehmlichkeiten sich selbst gut versorgen können. Kommt es zu Selbstversorgungseinschränkungen können sie, wenn sie Glück haben, mit dem ambulanten Pflegedienst die Defizite ausgleichen. Voraussetzung: Ein Pflegedienst hat freie Kapazitäten! Bei wirklicher Pflegebedürftigkeit – Pflegegrad 3 und höher – wird dann ein Umzug in eine vollstationäre Pflegeeinrichtung nötig – fehlt aber bisher in Fahrland.

Auch der Pflegdienst Backschies ergänzt mit Pflegeleistungen an anderen Stellen Senioren- Einrichtungen, wie bei der Art, die hier entstehen soll, wo der vor Ort tätige Pflegedienst an seine Kapazitätsgrenzen kommt. Mehr Einrichtungen für die Pflege schaffen nur oberflächlich gesehen das Pflegeproblem ab. Es führt vielmehr eher dazu, dass Pflegekapazitäten sich am Markt verschieben und dadurch kleine Einrichtungen verdrängt werden.

Kommt es aber zur Pflegebedürftigkeit, beispielsweise nach einem Krankenhausaufenthalt, erfolgt häufig der Hinweis, dass die Pflege im Servicewohnen nicht sichergestellt ist. Die Pflegekultur hat sich in den letzten 30 Jahren sehr verändert, aufwändige Pflege findet selten mehr zu Hause statt, sondern dann in stationären Einrichtungen.

Nach Gesprächen mit einem Potsdamer Krankenhaus-Sozialdienst sind Unterbringungen in Pflegeeinrichtungen derzeit gut möglich. Die letzten stationären Aufnahmen der Patienten aus dem Krankenhaus sind nicht etwa in den drei stationären Einrichtungen des Potsdamer Nordens, erfolgt, stadtnahe Einrichtungen waren preislich attraktiver. Nur am Rande sei bemerkt, dass insbesondere für ältere Berliner – Potsdamer Einrichtungen, ob Servicewohnen oder vollstationäre Pflege, preislich sehr attraktiv sind

In letzter Zeit wurden tatsächlich keine Kapazitätsengpässe bemerkt. Auch der Pflegedienst Backschies hätte im Betreuten Wohnen Plätze frei. Aber: Es gibt zu wenig Mitarbeiter. Um gute Pflege sicherzustellen, bleiben diese Plätze frei.

Kleine Wohneinheiten – Ja!, Aber braucht Fahrland wirklich 80 seniorengerechte Wohnungen in dieser Art, in der Ortsmitte, in ortsuntypischer Bauweise, um den Pflegebedarf zu decken? Richtige Pflege kann aus den schon genannten Gründen zunehmend immer weniger durchgeführt werden.

Oder sollen hier für weitere Ortsteile Kapazitäten geschaffen werden?

Oder wird auf zahlungskräftigen Zuzug aus den städtischen Gebieten einschließlich Berlins gesetzt?

Werden 80 Apartments gebraucht, um vermeintlich nur so wirtschaftlich arbeiten zu können??? – auch andere Servicewohneinrichtungen mit weniger Plätzen arbeiten effizient und auch der Pflegedienst Backschies arbeitet wirtschaftlich mit 40 Plätzen!!!

Ist es das Interesse von Ihnen, unseren Ortsbeiratsmitgliedern, tatsächlich den pflegerischen Bedarf unserer älteren Menschen mit diesem Bauwerk hier im Ort zu decken?

Pflegedienste sind gerne in diesen Einrichtungen tätig, weil mit kurzen Wegen effektiv gearbeitet werden kann, ABER die älteren Menschen, die noch zu Hause wohnen möchten und auch auf pflegerische Unterstützung angewiesen sind, könnten dadurch eine Absage bekommen…

Heike Jezewski                                                                                 Esther Raudszus-Walter“

GASTBEITRAG der Anwohnerinitiative Ketziner Str.

Hier ein Gastbeitrag zum aktuellen Informationsstand der geplanten Bebauung an der Ketziner Str. (ehemals Ketziner 22). Es handelt sich hier um betroffene Anwohnende, die nicht Mitglieder der BI sind. Daher spiegelt der Inhalt auch nicht die Meinung der BI wieder, die wiederum nach wie vor in der Diskussion dazu steht.

Hier der Beitrag:

„Sehr geehrter Herr Semmelhaack, sehr geehrte Ortsbeiräte und Stadtverordnete,
anbei eine ganz persönliche Note zum Bauprojekt Ketziner Straße in Fahrland.
Wir begrüßen das Bauvorhaben Ihrerseits. Nicht jedoch in dieser geplanten Form und Dimension.
Ob Haufen- oder Angerdorf – uns liegt es fern, eine Studie, Belehrung oder Wiedergabe der mittelalterlichen Dorfstruktur vorzunehmen bzw. vorzutragen.
Uns ist es wichtig, dass in Fahrland, nach massiven Bebauungen und Versiegelungen der letzten Jahre, eine Dorfstruktur im Kern des Dorfes erhalten bleibt. Diese persönliche Stellungnahme entspringt keiner romantischen Vorstellung einer Familie, die aus der „Stadt“ aufs „Dorf“ gekommen ist, sondern mehr dem Gefühl von Tradition, einem intakten Geschichtsbewusstsein und der Maßgabe, dass etwas Neues und Großes nicht immer etwas Besseres bedeuten.
Letzteres war für uns maßgeblich bei der Suche nach einem Eigenheim, welches wir am Ende des Jahres 2019 hier in Fahrland in der Weberstraße besichtigt und zu Beginn des Jahres 2020 erworben hatten. Für uns kam ein Neubau nie in Frage. Wir setzten immer auf eine Bestandsimmobilie. Zum einen, um uns in dieser ein stückweit selbst zu verwirklichen und zum anderen, um nicht Teil des Baubooms in unserer Region zu sein.
Selbstverständlich waren und sind wir nicht so naiv und blauäugig, dass wir davon ausgehen konnten als auch weiterhin davon ausgehen, dass die Freifläche hinter unserem Grundstück von Dauer „frei“ sein wird. Unser Makler wies uns bereits beim ersten Besichtigungstermin darauf hin, dass die Fläche verkauft und „in Planung“ ist. 
Um beim mittelalterlichen Sprachgebrauch zu bleiben, wurden wir im Frühjahr 2021 des Jahres wie Novizen vor vollendete Tatsachen gestellt. Durch unsere Nachbarn, die wir während und nach unserer eigenen Bauphase (Entkernung, Sanierung und Renovierung) kennenlernten, wurden wir zunächst über die geplante Bebauung von ca. 35 Eigenheimen informiert. Diese Pläne wurden dann ad acta gelegt, denn die geforderten Bebauungsgrenzen widersprachen und widersprechen angeblich der Wirtschaftlichkeit des geplanten Vorhabens. Darauf folgte die Präsentation des nun geplanten Seniorenheims.
Die Idee eines betreuten Alterspflegeheims ist hervorzuheben, der geplante Gebäudekomplex ist gemessen an der vorgegebenen dörflichen Struktur nicht tragbar. Niemand muss sich hier für Pest oder Cholera entscheiden. Hier muss einzig ein Kompromiss her.
„Niemand hat vor, ein dreistöckiges modernes Haus in einem mittelalterlichen Haufen- oder Angerdorf zu errichten!“ Das muss der Ansatz sein, wenn man nicht auf Alles im o.g. Kern verzichten möchte. 
Ist der von Ihnen ins Auge gefasste soziale Mehrwert an dieser Stelle nicht höher einzuschätzen als der marktorientierte Wert Ihres Bauvorhabens? Bauen Sie dieses Pflegeheim. Bitte. Sie haben unsere Sympathie und absolute Zustimmung im Rahmen der Notwendigkeit. Aber bitte nicht so.
In einer Zeit, in der uns Innovationen, Kommunikationsformen und auch Infrastruktur zu überholen scheinen, sollte man doch ein wenig Demut vor Traditionen und der Geschichte an den Tag legen. 
Im Spiegel der 825-Jahrfeier im kommenden Jahr ist dieser Gedankenanstoss aus unserer Sicht doch mehr als ein moralischer Fingerzeig.
Mit den besten Grüßen
Katja Damsch und Marcel Runge“